Auszug aus dem Buch
Kapitel 8 / Seite 150
Auf dem Weg zur Erinnerung
1. Die Spielarten des Patriarchats
Programmatischer Prolog
Er sagt:
Gut, dass du dich erinnerst, Jean!
Kehre zurück in deine Kindheit.
Du fragst: Warum du das sollst?
Weil es Dinge gibt, die dich irritieren und
verunsichern wie Träume und Konfrontationen
mit Gewalt und durch sexuellen Missbrauch
***
Jean fragt sich: Was hat mich in meinem Leben geprägt? Er erinnert sich daran, dass er seit seiner Kindheit zwei starke Gefühle in der Brust hatte:
Das eine war die Sehnsucht nach Geborgenheit im Schosse der Familie. Das war meistens dann, wenn alle zusammensassen. Da wurden Diskurse geführt, Aufgaben verteilt und Streitigkeiten ausgetragen. Das andere war seine Rastlosigkeit. Er war in einer Familie mit einem Zuhause und mit fünf Geschwistern aufgewachsen und trotzdem ein unruhiger, vom Zweifel umher getriebener Junge, der plötzlich das Gefühl hatte, nirgendwo dazu zu gehören, und der doch so sehr die Nähe und Geborgenheit brauchte. Und doch wollte er seine Kindheit und Jugend so rasch als möglich hinter sich lassen.
Er fühlte sich wie der Wandersmann in der Winterreise von Franz Schubert. Das Lied «Gute Nacht» – Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus … – hatte es ihm angetan. Auch Der Lindenbaum – Am Brunnen vor dem Tore. Das löste in ihm Wehmut und Trauer aus. Es waren nicht nur die Texte, die waren gut, aber die Musik war noch viel besser. Er liebte Schuberts Winterreise. In diesen Liedern, die er teilweise selber auf dem Klavier spielte, fühlte er sich verstanden. Es waren diese unglaublichen Leittöne, die ihm so gefielen, weil sie die Spannung …